In der New York Times vom Montag, 6. September 2010, ist ein Beitrag des Bestsellerautors John Grisham erschienen. Darin beschreibt Grisham, wie er nach mehreren Jobs – u.a. als Asphaltierer, Unterwäscheverkäufer, Kleinstadtanwalt und Lokalpolitiker – eher zufällig zum Schreiben kam. Vielleicht ist dieser Artikel eine Ermutigung und ein Ansporn für andere, die ebenfalls schreiben möchten, die vielleicht auch eher zufällig dazu gekommen sind und die das Schreiben auch immer wieder vor Schwierigkeiten stellt.
Ich zitiere mal die vier entscheidenden Absätze und gebe darunter meine eigene deutsche Übersetzung (mittlerweile bin ich im Englisch-Deutsch-Übersetzen recht flott):
Like most small-town lawyers, I dreamed of the big case, and in 1984 it finally arrived. But this time, the case wasn’t mine. As usual, I was loitering around the courtroom, pretending to be busy. But what I was really doing was watching a trial involving a young girl who had been beaten and raped. Her testimony was gut-wrenching, graphic, heartbreaking and riveting. Every juror was crying. I remember staring at the defendant and wishing I had a gun. And like that, a story was born.
Wie die meisten Kleinstadtanwälte träumte ich von dem großen Fall, und 1984 kam er endlich. Nur war der Fall diesmal nicht meiner. Wie gewöhnlich lungerte ich um den Gerichtssaal herum und tat so, als sei ich beschäftigt. Aber in Wirklichkeit schaute ich einer Verhandlung zu, an der ein junges Mädchen beteiligt war, das geschlagen und vergewaltigt worden war. Ihre Zeugenaussage war grauenerregend, anschaulich, herzzerreißend und fesselnd. Jedes Jurymitglied weinte. Ich erinnere mich daran, den Angeklagten angestarrt zu haben und mir gewünscht zu haben, ich hätte eine Waffe. Und so wurde eine Geschichte geboren.
Writing was not a childhood dream of mine. I do not recall longing to write as a student. I wasn’t sure how to start. Over the following weeks I refined my plot outline and fleshed out my characters. One night I wrote “Chapter One” at the top of the first page of a legal pad; the novel, “A Time to Kill,” was finished three years later.
Das Schreiben war kein Kindheitstraum von mir. Ich erinnere mich nicht daran, dass ich mich als Student danach gesehnt hätte, zu schreiben. Ich war mir nicht sicher, wie ich anfangen sollte. Während der folgenden Wochen entwickelte ich meinen Handlungsentwurf weiter und arbeitete meine Charaktere aus. Eines Nachts schrieb ich „Kapitel Eins“ oben auf die erste Seite eines juristischen Blocks; der Roman „A Time To Kill“ (dt. „Die Jury“, wurde auch verfilmt, Anm. d. Ü.) wurde drei Jahre später fertig.
The book didn’t sell, and I stuck with my day job, defending criminals, preparing wills and deeds and contracts. Still, something about writing made me spend large hours of my free time at my desk.
Das Buch verkaufte sich nicht, und ich blieb bei meinem Hauptberuf, verteitigte Kriminelle, bereitete Testamente und Urkunden und Verträge vor. Dennoch hatte das Schreiben etwas, das mich beträchtliche Stunden meiner Freizeit an meinem Schreibtisch verbringen ließ.
I had never worked so hard in my life, nor imagined that writing could be such an effort. It was more difficult than laying asphalt, and at times more frustrating than selling underwear. But it paid off. Eventually, I was able to leave the law and quit politics. Writing’s still the most difficult job I’ve ever had — but it’s worth it.
Ich hatte nie in meinem Leben so hart gearbeitet und mir auch nie vorgestellt, dass das Schreiben so anstrengend sein könnte. Es war schwieriger, als Asphalt zu legen, und zeitweise frustrierender als Unterwäsche zu verkaufen. Aber es zahlte sich aus. Schließlich konnte ich die Juristerei verlassen und aus der Politik ausscheiden. Das Schreiben ist nach wie vor der schwierigste Beruf, den ich je hatte — aber das ist es wert.
Man kann den Artikel „Dreams of a Desk Job“ („Träume von einem Schreibtisch-Job“) auch online lesen. Hier ist der Link: http://www.nytimes.com/2010/09/06/opinion/06Grisham.html?th&emc=th
Ich finde, kein großer autor, aber er schreibt spannend.Von diesem hintergrund wusste ich nichts.
Ich habe noch nie ein Buch von ihm gelesen. Kriminalromane interessieren mich nicht so. Und es ist natürlich Unterhaltungsliteratur.
Vor Jahren habe ich „Die Jury“ im Fernsehen gesehen. Nach John Grishams Beitrag in der NYT ist mir dann auch klar gewesen, weshalb der Film Selbstjustiz so positiv darstellt. Jemand, der Menschen ermordet, um die Vergewaltigung seiner Tochter zu rächen, verdient aus meiner Sicht zwar eine gewisse Strafmilderung, aber keinesfalls einen Freispruch, wie in „Die Jury“. Ich bin ohnehin froh, dass wir in Deutschland kein case law haben, auch wenn dessen Existenz aus der US-amerikanischen Geschichte heraus verständlich ist.