La raison, die Frucht der Erkenntnis?

Manchmal frage ich mich, ob die Frucht – ein Apfel war es ja wahrscheinlich nicht -, die Eva da vom Baum der Erkenntnis gepflückt hat, nicht genau das war, was Richelieu unter raison versteht (siehe vorangegangener Post)… Zum einen heißt es „Baum der Erkenntnis“, zum anderen gibt es da diese frappierende klangliche Ähnlichkeit zwischen la raison und dem französischen Wort für die „Frucht“, la raisin (auch wenn das mit dem althebräischen Original mit Sicherheit nul zu tun hat). Deshalb frage ich mich, ob Gott nicht vielleicht deshalb so wütend wurde, weil dem Menschen mit der Raison gleichzeitig die Macht gegeben war, Gottes Existenz in Frage zu stellen…

Auf den ersten Blick scheint das meiner sonstigen Auffassung zu widersprechen, wonach Gott den Menschen die Freiheit gegeben hat, sich in ihrem Leben dafür zu entscheiden, Gutes oder Böses zu tun.
Ich bin nämlich fest davon überzeugt, dass der Mensch an sich weder „gut“ noch „böse“ ist, sondern durch Anlagen und Umstände (seine „Um-Welt“) eher in die eine oder in die andere Richtung gerät. Da ihm ja – wie Richelieu meint – von Gott die Raison gegeben ward, hat er die Fähigkeit, sich innerhalb eines von seiner Umwelt gesetzten Rahmens frei für das eine oder das andere zu entscheiden.

Ja, ich bin mir bewusst, dass ich damit die Vorstellung von einer „Erbsünde“ verwerfe. Das bedeutet automatisch auch, dass ich die ganze Geschichte vom „Sündenfall“ nicht so ganz ernst nehme und eher als Erfindung betrachte – einen Erklärungsversuch dafür, wie die Sünde in die Welt kam.
Und wo wir gerade dabei sind: Ich glaube auch nicht an den „Teufel“. Menschen können schon teuflisch genug sein, da braucht man nicht auch noch übernatürliche Wesen. Der größte Kampf im Leben ist für mich ohnehin der gegen sich selbst – der darum, Gutes zu tun und Schlechtes zu unterlassen. Deshalb haben meine Überlegungen in diesem Post auch eher philosophisch-hypothetischen Charakter.

So, ich denke, das waren meine wesentlichen „undogmatischen“ Gedanken. Der Schluss ist wieder etwas versöhnlicher und versucht, die Geschichte vom „Sündenfall“ wieder ein Stück weit für mich zu retten:

Vielleicht hatte Gott in seiner Voraussicht ja bedacht, dass Eva den Apfel nehmen würde, und wollte vor allem wissen, ob der Mensch tatsächlich bereit ist, die Bürde der Freiheit – die „Vertreibung aus dem Paradies“ – auf sich zu nehmen. Ob der Mensch bereit ist, den steinigen Weg zu wählen statt der Bequemlichkeit des Paradieses, in dem dem Menschen kein Schaden zugefügt werden kann, in dem er aber auch nicht selbstständig denken muss… Und als Eva den Apfel nahm, bestätigte sie die Antwort, die Gott ohnehin erwartet hatte…

4 Responses to La raison, die Frucht der Erkenntnis?

  1. theomix sagt:

    Die Exegese betrachtet Genesis 1 bis 11 schon lange nicht mehr als historisch nachweisbare Geschichten. Die Bezeichnung „Urgeschichte“ möchte das verdeutlichen, es geht eher um Mythologie, Ätiologie und Archetypen.
    Die jüdische Theologie lehnt die „Erbsünde“ ab, und letzten Endes müsste auch die christliche Systematische Theologie dies tun, wenn sie den Spuren der Exegese folgte.
    Du bist, meine ich, weniger undogmatisch als du glaubst. Fällst eben nur aus einem scholastischen Mainstream heraus.
    Im Grunde schleppt man da ein Erbe des Augustin mit sich herum, der aus seiner eigenen unbewältigten Geschichte wüste Folgen gezogen hat. wenn ich das mal verkürzt und flapsig so sagen kann…

    • Jary sagt:

      Ich wusste gar nicht, dass die Geschichte von der Sintflut auch als nicht mehr historisch nachweisbare Geschichte gilt. Bisher dachte ich immer, sie könnte sogar einen historischen Kern haben, zumal es ja in vielen anderen alten Religionen ganz ähnliche Erzählungen von einer großen Flut gibt.
      Im Gegensatz zu der Geschichte von der Erschaffung der Welt in sieben Tagen oder der von Adam und Eva… Da sagt einem ja schon die Logik, dass etwas nicht stimmen kann. Zumindest finde ich es auch wenig einleuchtend, wo in Gen 4,17 plötzlich Kains Frau herkommt.

      Die islamische Theologie lehnt die Erbsünde ja genauso ab. So gesehen fährt man im Mainstream der monotheistischen Religionen, wenn man es auch tut. 😉
      Dass ich aus dem scholastischen Mainstream herausfalle, um die Formulierung aufzugreifen, bedeutet aber eben auch, dass ich in vielfacher Hinsicht komplett andere Ansichten habe als führende Vertreter der katholischen Kirche, inklusive meines Papstes. (Erbsünde/ Frauenbild, Hölle/ Fegefeuer, Meinung zum Judentum, Sexualfeindlichkeit… ist ja alles Augustinismus.)
      Ich habe ja nicht behauptet, meine Gedanken seien unchristlich – das sind sie gewiss nicht -, aber sie sind zweifellos nicht en accord mit einigen vorherrschenden Lehrmeinungen der katholischen Kirche.

      Wenn ich nicht katholisch wäre, würde ich mich nicht einmal über besagte Lehrmeinungen aufregen. So rege ich mich aber immer wieder auf, denn mich selbst interessiert der Augustinismus vorwiegend in seiner Relevanz für das historische Verständnis v.a. mittelalterlicher Mentalität…

      • theomix sagt:

        Wenn man WIRKLICH und WAHR auseinanderhält, ist das mit Noah auch nicht schlimm. Die weltweite Verbreitung spricht für eine gemeinsame Ur-Erfahrung; so interpretiere ich das.
        Das augustinische Sündenverständnis tendiert m. E. zur Sexualfeindlichkeit. Leitet sich bei der Auslegung von Gen. 1 von 1. Tim. 2 ab, aber dem zu widersprechen ist (zumindest für Protestanten) keine Schande.

      • Jary sagt:

        Ich glaube, dem zu widersprechen ist in keinem Fall eine Schande. 😉

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