L.E.A.F. – Leaf

Heute hielt ich die Debut-CD der niederländischen Pagan Folk-Band L.E.A.F. (Lark, Elk and Fable) in meinen Händen. Die Band besteht aus Kaat Geevers, der langjährigen Partnerin von Oliver Pade (Faun), sowie Chlor Bakker, Thomas Biesmeijer und Maryn Sies. Auf der CD sind außerdem die ehemaligen Mitglieder Fieke van den Hurk und Sophie Zaaijer zu hören. Kaat kannte ich schon von der CD „Folk Noir – Songs From Home Nr. 1“, die sie zusammen mit Oliver aufgenommen hatte; da war die Entscheidung zum Kauf von L.E.A.F. unschwer getroffen.

Das Album Leaf ist im Juli 2012 erschienen und umfasst die sechs Titel „Under Nymånen“, „Fjarilar“, „Wind and Tree“, „Frühlingstanz“, „Bundet“ und „Winter“. Außerdem enthält es ein Booklet mit Texten, persönlichen Informationen der Band zu den einzelnen Stücken und Artwork von Fieke. Ihr Designstudio Orchus hatte auch schon für das wunderschöne Artwork zur Faun-CD „Eden“ verantwortlich gezeichnet.

Die Mini-CD „Leaf“ dauert zwar nur knapp 30 Minuten, kann mich aber trotz dieser Kürze vollkommen überzeugen. Für mich ist es das Pagan Folk-Album des Sommers, genau wie es „Eden“ von Faun im letzten Jahr war. Tatsächlich erinnert es mich klanglich streckenweise an den Stil der Faune – was in Anbetracht dessen, wie gut sich Kaat und Oliver kennen, auch nicht verwunderlich ist. Außerdem geht der Einfluss mit Sicherheit nicht einseitig von Oliver aus, sondern ist wechselseitig. Was mich betrifft, kann es sowieso nie genug melodischen Pagan Folk mit vielen nicht-verstärkten Instrumenten und einer Mischung traditioneller und eigener Kompositionen und Texte geben. Und, noch einmal: Die Musik von L.E.A.F. ist einfach wunderschön.

Leaf

Das erste Lied, Under Nymånen, basiert auf dem Gedicht „Flickan under nymånen“ des schwedischen Schriftstellers und Literaturkritikers Bo Bergman (1869-1967), das Kaat leicht umarrangiert hat. Es handelt von einem Mädchen, das den Mond anruft, damit sie (kein Fehler, der Mond ist hier weiblich) einen Sturm heraufbeschwört, um den Liebsten des Mädchens zurückzubringen. Der Text und eine Übersetzung finden sich auf der Homepage von Leaf. Der Song wird vor allem vom Kaats schöner Stimme getragen und hat auch eine sehr schöne Geigenpassage.

Darauf folgt Fjarilar, das ebenfalls auf einem Text von Bo Bergman basiert. Hier handelt der relativ kurze, nur am Anfang des Liedes zu hörende Text vom Gegensatz zwischen (noch) unberührter Natur und Umweltverschmutzung durch rauchende Fabrikschlote. Neben der rhythmischen Melodie sind im Hintergrund auch immer wieder Naturgeräusche zu hören.

Wind and Tree beschreibt den Gegensatz zwischen männlicher und weiblicher Kraft. Die weibliche Kraft wird hier vom erdverwurzelten Baum repräsentiert, die männliche durch den Wind, der zwar die Blätter und Zweige des Baums bewegen kann, aber immer weiter fort muss. (N.B. Ich finde diese Metaphern ja sehr poetisch, aber eben auch verdammt konservativ-traditionell. Nicht, dass ich das L.E.A.F. in irgendeiner Weise vorwerfen würde, aber ich bin bei solchen Texten immer etwas zerrissen zwischen der Bewunderung für das schöne Bild und dem rationalen Hinterfragen desselben.) Die Melodie ist rhythmisch-flott, der Gesang wunderschön und der englische Text poetisch. Dem Booklet zufolge geht er wieder auf Bo Bergman zurück.

Das Instrumentalstück Frühlingstanz wirkt leicht, fröhlich und (spät-) frühlingshaft.

Laut dem Booklet ist Bundet der bisher experimentellste Song von L.E.A.F., der auf das Lied „Trøllabundin“ der färöischen Sängerin und Komponistin Eivør Pálsdóttir (* 1983) zurückgeht. Der Titel bedeutet so viel wie „Verzaubert“ (… und dies ist wieder mal ein Fall, in dem die deutsche Sprache in Bezug auf die Übersetzung nordischer Sprachen unzulänglicher ist als die englische, die mit „spellbound“ zumindest ein Fast-Äquivalent zu verzeichnen hat). Für ihr Album haben L.E.A.F. Maria Franz, die norwegische Sängerin der Band Euzen, gebeten, „Trøllabundin“ in einen alten norwegischen Dialekt zu übersetzen.
Die Vocals für „Bundet“ wurden mit einem Halleffekt unterlegt, wodurch sie fast zu schweben scheinen. Außerdem finde ich, dass es durch Hall bei ruhigerer Musik häufig so wirkt, als habe man nicht im Tonstudio, sondern einer Kirche oder einem anderen hohen Raum aufgenommen. Was im Gegensatz zum Original besonders auffällt, ist die deutlich stärkere Instrumentierung, die der Adaption eine völlig andere Struktur verleiht als dem Original. Auf jeden Fall sind beide Versionen sehr, sehr schön.

Seinen würdigen Abschluss findet das Album mit dem Instrumentalstück Winter, zu dessen melancholischer Melodie Kaat dem Booklet zufolge während des rauen Winters im Jahr 2007 inspiriert wurde, als sie allein auf ihrer Nyckelharpa spielte. Nach den eher frühlingshaft-sommerlichen übrigen Stücken endet „Leaf“ damit in der düsteren und kalten Jahreszeit.

Und wer danach nicht den Replay-Button drückt, ist selbst schuld. 😉

Eine schöne Rezension gibt es auf der Webseite des UnArt-Magazins.
Erhältlich ist das Album wohl am einfachsten im Miroque-Onlineshop.

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