Das Kaleidoskop

24. August 2010

Schon im antiken Griechenland waren Kaleidoskope bekannt. Wie so vieles Wissen dieser Zeit ging auch dieses irgendwann verloren, und so wurde das Kaleidoskop erst im Jahre 1816 von David Brewster, einem schottischen Physiker, wiederentdeckt. Der Name „Kaleidoskop“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet etwa „Schöne-Formen-Seher“ (καλός = kalós = schön, εἴδος = eidos = Form, σκοπέω = skopéo = sehen).

Als ich etwa zehn Jahre alt war, hatte ich bei einer Privatlehrerin Gitarrenunterricht. Vor der Stunde musste ich meistens noch etwas warten und fand besonders das Spielzeug-Kaleidoskop mit den bunten Glassplittern interessant, das in einem Korb bei ihr herumlag. Ein eigenes Kaleidoskop ist also so etwas wie ein Kindheitswunsch für mich. Vor Kurzem habe ich dann zufällig mitbekommen, dass eine Firma optische Spielzeuge aus Pappe zum Nachbauen anbietet…

Kaleidoskop

Dieses Modell ist einem der ersten Salon-Kaleidoskope des 19. Jahrhunderts nachempfunden.
Ja, ich gebe zu, dass ich ein gewisses Faible für astronomisches Spielzeug aus dieser Zeit entwickelt habe, seit ich Bücher von Philip Pullman („His Dark Materials“, „Sally Lockhart“) gelesen habe.

Kaleidoskop von vorne

So sieht es von vorne aus. Fast etwas unspektakulär, nicht?

Im Gegensatz zu den meisten anderen Kaleidoskopen hat dieses hier einen abnehmbaren Füllbecher. Man kann sich also nicht nur bunte Glassplitter ansehen, sondern viele verschiedene Formen selbst erzeugen – je nach Befüllung.

Kaleidoskop von hinten ohne Füllbecher

So sieht das Kaleidoskop von hinten aus, wenn man den Füllbecher abnimmt. Aus dieser Perspektive sieht man deutlich, dass der Bildeffekt durch drei zu einem gleichseitigen Dreieck verkantete Spiegel hervorgerufen wird.

Kaleidoskop-Beispielbild

Hier einmal ein Beispielbild von der prismischen Spiegelung durch das Kaleidoskop.
Was ihr hier sehen könnt, sind drei Münzen: zwei Zwei-Euro-Stücke (Europa, Saarland) und ein Ein-Euro-Stück (Slowenien). Sie sind übrigens nicht zum Ausgeben gedacht, sondern mein Vorrat für Schließfächer, die Ein- bzw. Zwei-Euro-Stücke verlangen.

Eine Kaleidoskop-Web-Simulation kann man sich übrigens hier ansehen: http://www.zefrank.com/dtoy_vs_byokal/index.html


Alhambra im Regen

18. Juli 2010

Nein, das ist natürlich nicht die Alhambra in Granada. Es ist eine Ansicht des Kurhaus-Areals in Göggingen (bei Augsburg), das hier Elemente maurischer Architektur zitiert.

Kurhaus Göggingen Springbrunnen

Der Saal des 1886 erbauten Kurhauses wurde einer breiteren Öffentlichkeit durch die Verfilmung des Romans „Buddenbrooks“ von Thomas Mann (1875-1955) durch Heinrich Breloer im Jahre 2008 bekannt: Sämtliche Ballszenen wurden in dem klassizistischen Gebäude aus der Gründerzeit (ca. 1840-1873) gedreht, da das Kurhaus das letzte erhaltene – bzw. nach eine Brand 1972 zerstörte und 1988-1996 sanierte – Multifunktionstheater aus dieser Zeit ist.

Dies sozusagen als Nachtrag zum gestrigen Eintrag. Wahrscheinlich fahre ich in nächster Zeit noch einmal nach Göggingen, um weitere Fotos vom Kurhaus zu machen – dann vielleicht bei Sonnenschein.
Das Foto habt ihr übrigens auch dem gestern erwähnten Dozenten zu verdanken, weil er mich auf diese Ansicht des Kurhauses aufmerksam gemacht hat. 😉


Kritik der arabischen Vernunft

17. Juli 2010

Vor einiger Zeit fiel mir ein Artikel aus „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) 24/2010 in die Hände: ein Nachruf auf den arabischen Aufklärer Mohammed Abed al-Jabri (1936-2010), der unter anderem auf die philosophische Tradition des andalusischen Philosophen und Juristen Averroes (arabisch: Ibn Rushd, 1126-1198) zurückgreift. Sein Werk ist zudem von der poststrukturalistischen französischen Philosophie beeinflusst, insbesondere von Michel Foucaults (1926-1984) épistème-Konzept. (Episteme sind eine Art epochenspezifischer Vorstellungen, die der Wissensbildung wie ein logisches Unterbewusstsein vorauseilen.)

Für einen Menschen wie mich war der Artikel über al-Jabri hochinteressant:
Ich interessiere mich zum einen für Al Andaluz, das maurische Spanien: Von 711 bis 1492 waren Teile der Iberischen Halbinsel von Muslimen beherrscht. Juden, Christen und Muslime lebten dort lange Zeit weitgehend friedlich beisammen; gleichzeitig erlebte die Iberische Halbinsel eine kulturelle Blütezeit. Bekanntestes Beispiel hierfür ist wohl die Alhambra, ein Festungspalast in Granada:

Alhambra

Zum anderen habe ich ein starkes Interesse an Philosophie und Philosophie- bzw. Ideengeschichte. Dabei liegt einer meiner Interessensschwerpunkte auf der Philosophie der Aufklärung bzw. in der Zeit der Bürgerlichen Revolutionen in Europa. Zunehmend beginne ich auch, mich für die französische (Geschichts-)Philosophie des 20. Jahrhunderts zu interessieren, woran die Englische Literaturwissenschaft und einer meiner Dozenten in Geschichte nicht ganz unschuldig sind.

Al-Jabris vierbändiges Hauptwerk, das – in Anlehnung an Kant – „Die Kritik der arabischen Vernunft“ heißt, soll voraussichtlich dieses Jahr in englischer Übersetzung erscheinen. Auf Deutsch ist bislang eine Einführung erschienen (Mohammed Abed al-Jabri: Kritik der arabischen Vernunft. Die Einführung, Berlin 2009). Drei zentrale Thesen aus diesem Werk sind:

  • Es gibt drei Wissensordnungen, die die Erkenntnis im islamisch geprägten Kulturraum vorstrukturieren: Zum ersten die Wissenschaft der religiösen Auslegung, in der Unbekanntes stets dem bereits Bekannten innerhalb des offenbarten Textes untergeordnet wird (bayan). Zweitens die naturwissenschaftliche Beweisführung, die eine Ableitung aus empirischen Daten ist und deren Pendant im christlichen Europa die Aufklärung und die naturwissenschaftlich geprägte Moderne ausgelöst hat (burhan). Drittens die mystische – und aus al-Jabris Sicht irrationale – Inspiration und Versenkung (irfan). Das zentrale Prinzip in diesen drei Bereichen ist al-Jabri zufolge die Nachahmung. Sie habe zur Stagnation des arabischen Denkens geführt.
  • Die Quellen des Rechts in der arabischen Welt sind der Koran, die Sunna (d.h. das Leben und Vorbild des Propheten Mohammed), der Analogieschluss (qiyas), der Konsens der Gelehrten (jimaa) und die freie Rechtsfindung eines Gelehrten (qiyas).
    In die Zeit des Aufstiegs der abbasidischen Dynastie (749-1258) in Arabien fällt das sogenannte „Zeitalter der Niederschrift“ (asr al-tadwin), in dem die Sunna kodifiziert wurde und die vier wichtigsten Rechtsschulen des Islam entstanden: Hanafiten, Malikiten, Schafiten und Hanbaliten. Mit der Kanonisierung wurde die Möglichkeit der freien Entscheidungsfindung durch Einzelne allerdings zunehmend begrenzt. Grammatik, Recht, Mystik und Rhetorik, insbesondere aber Theologie und Philosophie waren im arabisch-islamischen Kulturraum zudem nie unabhängig von der Politik. Al-Jabri arbeitet nun den ideologischen Anteil von Rechtsfindung, Geschichtsschreibung und Philosophie im Zeitalter der Kanonisierung heraus.
  • Er entwickelt die These, wonach das aristotelische Denken in Al Andalus und Nordafrika durch Ibn Rushd (Averroes) wiedergeboren worden sei. Durch den Averroismus hat laut al-Jabri ein epistemologischer (= „wissenschaftsphilosophischer“ bzw. „erkenntnistheoretischer“) Bruch mit den theoretischen Denkformen stattgefunden, die im muslimischen Orient vorherrschend seien.

Ich würde mich freuen, wenn ich bei dem einen oder anderen Leser dieses kleinen Blogs ein Interesse an der islamisch-arabischen aufklärerischen Philosophie wecken könnte – denn im Gegensatz zur landläufigen „westlichen“ Meinung gab und gibt es islamisches Denken im Geiste der Aufklärung, auch wenn dieses Denken seine Wirkmächtigkeit ironischerweise insbesondere im christlichen Kulturraum entfaltete.

Den einführenden Aufsatz in al-Jabris Denken aus APuZ, den ich eingangs erwähnt habe, kann man sich unter http://www.bpb.de/publikationen/X6OD66,0,Arabische_Welt.html kostenlos als PDF herunterladen oder ihn online lesen.

Weiterführende Links:
http://de.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-469/_nr-1012/i.html (ein Porträt al-Jabris von Sonja Hegasy)
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/972358/ (das Deutschlandradio Kultur zu al-Jabri)
http://begleitschreiben.twoday.net/stories/5710009/ (eher kritische Rezension von Gregor Keuschnig)
http://kritikderarabischenvernunft.wordpress.com (Blog des Philosophen Reginald Grünenberg zur deutschen Ausgabe; Grünenberg lieferte gemeinsam mit Sonja Hegasy das Vorwort für die deutsche Einführung)