A Sign of Tolerance – Ein Zeichen von Toleranz

30. Juli 2013

(deutsche Version: siehe unten)

I must admit that I have been and still are quite sceptical about Pope Francis, because – well, because he loves the camera and the camera loves him. He’s just acting too well with the media. But now – this sign of tolerance:

“If someone is gay and he searches for the Lord and has good will, who am I to judge?”
(On Gay Priests, Pope Francis Asks, ‚Who Am I to Judge‘?, New York Times, 29.07.2013) 

Yes, the Catholic Church is still far from accepting homosexuals for who they are. Yes, Francis is against gay marriage and adoption rights for gay or lesbian couples; he does consider homosexual action as a sin, as being against God’s will. But nonetheless – his „Who am I to judge?“ is resonating within my liberal heart (yes, I’m an ideologist, I don’t deny it). Perhaps I’m over-interpreting, but I interpret his statement that way: Francis accepts homosexuality as being „just there“, not something people can choose to be. People are either born this way, or they aren’t. Therefore, homosexuality is nothing people can be „cured of“.* Hence, it would be unmerciful to condemn homosexual people, because it’s not their „fault“ that they are homosexual. If someone who is gay seeks God, wants to become a priest and, as such, lead a celibate life, he may.

That’s more than any pope publicly conceded to homosexual people ever before. It’s a sign of tolerance. It shines. And it makes me, as a Christian, a liberal and (being a liberal) an advocate of tolerance in the Enlightenment sense of the word – happy. This is the first time I didn’t have to be enraged when hearing a pope’s words on such an issue. Thank you, Francis!


* Following pure logics, the next thought would be: „If you can’t choose your sexual orientation, it must be God who made you gay/ lesbian or straight. Consequently, homosexuality cannot be against God’s will and therefore should be accepted by the Church.“ But that’s probably asking too much…

chodowiecki_aufklärung

Daniel Nikolaus Chodowiecki: Aufklärung, 1791 (Ausschnitt mit Kirche)

(English version: see above)

Ich muss gestehen, dass ich ziemlich skeptisch gegenüber Papst Franziskus war und immer noch bin, weil – ja, weil er die Kamera liebt und die Kamera ihn liebt. Er geht einfach zu gut mit den Medien um. Aber nun – dieses Zeichen der Toleranz:

„Wenn jemand schwul ist und Gott sucht und guten Willens ist – wer bin ich, darüber zu urteilen?“
(On Gay Priests, Pope Francis Asks, ‚Who Am I to Judge‘?, New York Times, 29.07.2013)

Ja, die katholische Kirche ist immer noch weit davon entfernt, Homosexuelle dafür zu akzeptieren, was sie sind. Ja, Franziskus ist gegen die Homo-Ehe und Adoptionsrechte für schwule oder lesbische Paare; er betrachtet homosexuelle Handlungen als Sünde, als etwas, das gegen den Willen Gottes ist. Und dennoch – sein „Wer bin ich, darüber zu urteilen?“ klingt in meinem liberalen Herzen nach (ja, ich bin ideologisch, ich streite es gar nicht ab). Vielleicht überinterpretiere ich ihn da, aber ich interpretiere seine Äußerung so: Franziskus akzeptiert Homosexualität als etwas, das „einfach da“ ist, nicht als etwas, bei dem Menschen darüber entscheiden können, ob sie es sein wollen. Menschen werden entweder so geboren oder eben nicht. Also ist Homosexualität auch nichts, wovon Menschen „geheilt“ werden könnten.* Deshalb wäre es unbarmherzig, homosexuelle Menschen zu verdammen, weil es nicht ihre „Schuld“ ist, dass sie homosexuell sind. Wenn jemand, der schwul ist, Gott sucht, Priester werden möchte und als solcher ein enthaltsames Leben führen möchte, dann darf er das.

Das ist mehr, als irgendein Papst homosexuellen Menschen je öffentlich zugestanden hat. Es ist ein Zeichen von Toleranz. Es leuchtet. Und es macht mich als Christin, als Liberale und als liberale Verfechterin von Toleranz im Sinne der Aufkärung – glücklich. Das ist das erste Mal, dass ich mich nicht aufregen musste, als ich die Worte eines Papstes zu so einem Thema gehört habe. Danke, Franziskus!


* Rein logisch betrachtet müsste der nächste Gedanke sein: „Wenn man seine sexuelle Orientierung nicht wählen kann, muss es Gott sein, der einen als schwul/ lesbisch oder hetero geschaffen hat. Folglich kann Homosexualität nicht gegen den Willen Gottes sein und sollte deshalb von der Kirche akzeptiert werden.“ Aber das ist dann wahrscheinlich doch zu viel verlangt…


Liberal ist…

22. August 2011

Irgendwo auf diesem Blog muss ich schon einmal erwähnt haben, dass mein Selbstbild das einer „liberalen katholischen Christin“ ist. Das Wörtchen „liberal“ ist dabei für mich mehr als nur eine Präzisierung des Wortes „Christin“. Über Glauben schreibe ich wahrscheinlich ein andermal noch einen Beitrag. Jetzt, wo der Liberalismus mal wieder besonders stark in der Kritik ist, ist aber vielleicht der richtige Zeitpunkt, um sich einmal als „liberal“ zu „outen“ – und zu schreiben, was man denn darunter verstanden wissen möchte.

Genug der Vorrede!

Liberal ist jemand, der denkt, dass „Freiheit zur Verantwortung“ keine Floskel ist, die nur im Parteiprogramm einer (mittlerweile wieder sehr) kleinen gelben Partei steht. Liberal ist jemand, für den „Freiheit zur Verantwortung“ eine Überzeugung ist: Im Mittelpunkt des Liberalismus steht der Mensch.

Deshalb ist es für mich eben gerade keine liberale Überzeugung, wenn jemand glaubt, im Sinne des Liberalismus für finanzielle Einschnitte bei allem Möglichen eintreten zu müssen – auch bei den sozialen Sicherungssystemen. Denn es gibt Menschen, deren Fähigkeiten für die Wirtschaft nicht so „verwertbar“ sind wie die anderer Menschen – und Menschen, die vielleicht gar nicht bloß „wirtschaftlich verwertbar“ sein, geschweige denn danach gemessen werden wollen.
Einer davon schreibt hier.

Und überhaupt der Glaube, Bildung und Ausbildung seien etwas, das nur ja möglichst gut wirtschaftlich verwertbar sein muss: der ist auch nicht liberal. Er ist weder ethisch noch moralisch, denn er missachtet die Würde derjenigen, die nun als eben nicht so „verwertbar“ angesehen werden.
„Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“ – so lautet eine bekannte Formulierung des praktischen Imperativs bzw. der Selbstzweckformel des kategorischen Imperativs in Immanuel Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ (1785).
Der Mensch soll niemals Mittel zum Zweck sein, sondern in seinem eigenen Wert im Mittelpunkt stehen – davon überzeugt zu sein, das wiederum ist liberal. Liberal ist es, für diese Überzeugung einzustehen – auch wenn sie einmal nicht mit nur scheinbar „wirtschaftsliberalen“ „Notwendigkeiten“ konform geht.

Ja, liberal ist für mich jemand, der zu seinen Überzeugungen steht – der für sie einsteht, auch wenn es mal unbequem oder „nicht in Mode“ ist. Aber niemand, der zu jedem Thema seinen Senf dazugeben muss. Sondern jemand, der widerspricht, wenn andere etwas vertreten, das seinen Überzeugungen widerspricht.

Liberal ist jemand, der glaubt, dass ein Bildungs- und Erziehungsziel „kritische Mündigkeit“, wie es in der Bundesrepublik Deutschland vertreten wird, essentiell wichtig ist. Der glaubt, dass es in der Schule nicht nur darauf ankommt, fachliches Wissen zu vermitteln oder Schülern beizubringen, wie sie in der Gesellschaft sozial „überleben“ können.
All dies ist sehr wichtig – völlig ohne Frage. Aber entscheidend ist es, junge Menschen dazu zu bewegen, selbst denken zu lernen: „Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Das ist nicht nur der „Wahlspruch der Aufklärung“, als den ihn Kant in seinem berühmten Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784) darstellt. Das ist es auch, was für mich im Kern jeder schulischen und sonstigen Bildung steht. Das ist der Grund, weshalb ich Lehramt studiere. Das ist mein liberales Pathos. Das ist meine tiefste Überzeugung.
Denn das Entscheidende ist nicht, in einer Gesellschaft bloß „überleben“ zu können. Das Entscheidende ist es, sie gestalten zu können. Die Gesellschaft – und die eigene Zukunft.

Liberal ist es aber nicht, die Augen davor zu verschließen, dass es Menschen gibt, die das eben angesprochene Metareflexionsniveau nicht erreichen können – etwa aufgrund der eigenen genetischen Ausstattung (z.B. Trisomie 21 / „Down-Syndrom“) oder wegen eines Unfalls. Und dass es Menschen gibt, die in ihrer „selbst verschuldeten Unmündigkeit“ verharren, wie es Kant so klar erkannte, oder in sie zurückgeworfen werden. Nicht bloß aus „Faulheit und Feigheit“, wie der Philosoph schrieb – nein, auch aus Lebensangst, schlechten Erfahrungen, Krankheit (z.B. schwerer Depression, Alzheimer), hohem Alter etc. Oder weil sie einfach niemand angeleitet hat, wie sie den „Ausgang aus ihrer selbst verschuldeten Unmündigkeit“ finden können. Oder weil sie sich dem als Kinder verweigert haben, weil sie damals noch nicht so weit dachten. Oder weil … es gibt so viele mögliche Gründe.
Auch für diese Menschen muss ein liberaler Staat sorgen, wenn er wirklich den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Selbst dann, wenn der Grund tatsächlich „Faulheit“ sein sollte – denn ein Liberaler lässt keinen einzigen Menschen auf der Strecke.
Das als „liberal“ zu bezeichnen, ist eine ziemlich unmodische Sichtweise, nicht wahr? Sie war eigentlich auch nie in Mode. Aber ich schrieb ja schon, dass es hier um Moden nicht geht.

Liberal ist ein Mensch, der das Wort „Toleranz“ nicht wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt („erdulden“, „erleiden“, „zulassen“). Liberal ist es, andere nicht für die Art und Weise zu verurteilen, wie sie ihr Privatleben gestalten möchten. Liberal ist jemand, der andere Menschen so akzeptiert, wie sie sind, solange sie damit kein Verbrechen begehen. Denn liberal ist es, andere mit Achtung und Respekt zu behandeln – und es ist tolerant.

Liberal ist jemand, für den Freiheitsrechte keine Verhandlungsmasse sind. Liberale sind Norweger im Geiste. Sie schreien nach Anschlägen und Verbrechen nicht nach noch mehr Überwachung, sondern rufen laut: „Jetzt erst recht! Wir brechen eine Lanze für eine liberale Gesellschaft!“
„Der Freiheit eine Gasse!“, wie in dem Herwegh-Gedicht (1841).
In diesem Sinne können Liberale durchaus radikal sein.

Liberal ist es, für diese Überzeugungen einzutreten, auch wenn – oder gerade wenn – man damit (momentan) keinen Blumentopf gewinnen kann.

Diese Liste könnte ich noch viel weiter führen. Aber irgendwo muss man ja auch einmal einen Punkt machen.
Nur – wie nennen wir das ganze nun? Bürgerrechtsliberal? Sozialliberal? Linksliberal? Oder: falsch verstandener Liberalismus? Aus meiner subjektiven Sicht richtig verstandener Liberalismus?
Ja, und hier kommt nun die Stelle, an der man mal jemandem, der sich als „liberal“ bezeichnet, mit Fug und Recht Beliebigkeit vorwerfen darf: Das ist mir völlig egal! Für mich ist es einfach nur das: liberal. Ohne präzisierende Attribute. Und wenn ihr mir unbedingt ein Etikett aufkleben müsst – sucht euch eins aus!

Doch eines sollte klar sein: Liberalismus bedeutet nicht „Beliebigkeit“, nicht reines „Laisser-faire“. Liberalismus ist wertegebunden. Und Liberalismus kann ganz schön unbequem sein. Für den, der ihm begegnet – und (gerade vor allem) für den, der ihn vertritt.

Ist das, was ich oben ausgeführt habe, utopisch?
Vielleicht.
Ist es idealistisch?
Na, aber so was von!
Ist es meine Überzeugung?
Auf jeden Fall.

In diesem Sinne: Vielen Dank für alle, die bis hier unten durchgehalten haben! 😉


Interessante Gespräche mit interessanten Menschen

25. April 2009

Gestern Abend war ich zu einem Empfang eingeladen. Bis auf ein paar flüchtige Bekannte aus der Uni kannte ich niemanden. Zuerst schien das Ganze auch eine recht steife Veranstaltung mit Reden und ein bisschen Musik zu werden, doch dann habe ich zwei total interessante und auch nette Menschen getroffen. Mit ihnen konnte ich mich auf Anhieb gut unterhalten, vor allem über Geschichte, Politik, Philosophie und Religion, aber auch über ein paar andere Dinge.
Wer sagte noch gleich, dass man beim „Smalltalk“ auf keinen Fall das Thema Religion ansprechen soll…? Andererseits waren das auch kein „Smalltalk“ im klassischen Sinne.

Ich bin positiv überrascht, dass ich an einem Abend gleich zwei Menschen kennen lernen durfte, mit denen ich so anspruchsvolle Unterhaltungen führen konnte. Der Empfang hat sich auf jeden Fall gelohnt! 🙂

Übrigens bezeichnend: Beide waren ein paar Jahre älter als ich und männlich. Bis auf wenige Ausnahmen ist das meistens so, wenn ich spannende Gesprächspartner finde.
Warum eigentlich? Ich weiß darauf keine Antwort. Ist ja nicht so, dass ich die Menschen, mit denen ich spreche, nach Alter und Geschlecht auswählen würde. Liegt es vielleicht an den Themen, für die ich mich interessiere? Man sagt ja, dass sich Frauen weniger für Politik interessieren würden als Männer. Beurteilen kann ich – weiblich, politikinteressiert – das aber wirklich nicht.