Faun – Von den Elben

Heute ist das jüngste Album der Münchner Pagan Folker Faun erschienen, von deren vorhergehenden Werk Eden ich ja ziemlich begeistert war. Vorneweg: Ich finde Von den Elben überwiegend schön anzuhören, auch wenn es „glatter“ produziert ist als „Eden“, die Songs überwiegend auf die radiotaugliche 3min-Länge zusammengeschnurrt sind und konzeptioneller Anspruch praktisch nicht mehr vorhanden ist.
Mag sein, dass es daran liegt, dass die Band zu dem Major-Label Universal gewechselt ist und dass es das erste Album für dieses Label ist.

Womit wir auch beim Hauptkritikpunkt der meisten Fans sind: Faun – zu glatt, zu eingängig geworden, „williges Opfer“ der Pop-Schlager-Industrie des Kommerz-Riesen Universal, treten jetzt auch in Schlager-Sendungen (Carmen Nebel!) auf. Ob eine Band bei einem kommerziellen Label ist oder bei Wem-auch-immer auftritt, ist mir ziemlich schnurz, aber die Magie von „Eden“ fehlt auf „Von den Elben“ überwiegend (Ausnahme: Andro II). Das ist schade, aber man muss dabei schon berücksichtigen, dass das komplexe, wunderschöne Album „Eden“ die Erwartungen an den Nachfolger auch in ungeahnte Höhen geschraubt hatte.

Auch wenn die Musik auf dem ersten Album beim Major-Label Universal (bei dem auch Apocalyptica sind und das die Rechte an der Musik von ABBA hat) tatsächlich eingängiger klingt – bisher war noch jedes Faun-Album ziemlich anders als das vorhergehende. Auf „Totem“ hatte mir z.B. die streckenweise sehr starke Dominanz der elektronischen Klänge und der im Vergleich mit den „Mädels“ nicht so flexiblen Gesangsstimme von Oli nicht so gut gefallen. Auf „Eden“ war beides dann nicht mehr der Fall und das komplexe, durchdachte Konzept kam hinzu.

Dass „Von den Elben“ rein deutschsprachig ist, ist auch nicht mein Ideal: Ich freue mich immer besonders über fremdsprachige Lieder oder, noch besser, solche in älteren Sprachstufen wie Mittelhochdeutsch (z.B. die Walther von der Vogelweide-Vertonung „Troum unde Spiegelglas“ auf der ersten Faun-CD „Zaubersprüche“) oder Mittelenglisch („Adam lay ybounden“). Allerdings hatten die Faune mit dem „Buch der Balladen“ ja schon mal eine rein deutschsprachige Konzeption, auch wenn das sich außerdem noch durch Verzicht auf die elektronische Untermalung von Niel Mitra und Konzentration auf nicht Selbstgeschriebenes wie das Volkslied „Der wilde Wassermann“ oder eine deutsche Fassung von John Keats’ „Belle Dame sans Merci“ auszeichnete.

Aber nun zur Musik:

faunvondenelben

Tracklist: 1. Mit dem Wind (3:53) | 
2. Diese kalte Nacht (3:04) | 
3. Von den Elben (4:08) | 
4. Tanz mit mir (Duett mit Santiano, 3:02) | 
5. Schrei es in die Winde (4:04) | 
6. Wilde Rose (3:27)
 | 7. Wenn wir uns wiedersehen (3:19) | 
8. Bring mich nach Haus (3:24)
 | 9. Welche Sprache spricht dein Herz (3:27)
 | 10. Andro II (4:59)
 | 11. Minne Duett (mit Subway to Sally, 3:41) | 
12. Thymian & Rosmarin (3:47)
 | 13. Warte auf mich (3:18)

Worüber ich mich tatsächlich aufgeregt habe, war das Lied Tanz mit mir, das mir schon bei den Snippets, die man sich auch schon vorab auf faune.de anhören konnte, viel zu sehr nach lärmender, anspruchsloser Mittelaltermarkt-Musik klang.
Im Booklet war dann zu lesen, dass die Faune das Lied nach eigener Aussage „auf Wunsch unserer Plattenfirma“ aufgenommen haben, was ich an sich schon mal ziemlich unmöglich finde. (Ich zweifle nicht daran, dass das bei irgendwelchen Popstars und -sternchen, die ihre Musik sowieso nicht selber schreiben, gang und gäbe ist. Von Faun hätte ich allerdings nicht erwartet, dass sie sich auf so was einlassen.) Vermutlich hat Universal auch veranlasst, dass die männliche Gesangsstimme hier von Björn Both von Santiano übernommen wurde, einer Band, die mir vorher kein Begriff war. Wenn ich „Tanz mit mir“ höre und dazu auf Wikipedia lese, dass Santiano auf die Idee eines Musikproduzenten hin entstand, verspüre ich aber auch nicht das Bedürfnis, sie kennen zu lernen.
Als ich dieses Lied zum ersten Mal auf der CD gehört habe, musste ich leider feststellen, dass alles noch viel schlimmer war, als ich nach dem Snippet befürchtet hatte: Wein, Weib und Gesang als Thema – na bravo, das ist ja auch überhaupt nicht abgeschmackt! Und vor „Begeisterung“ kommt der Refrain am Schluss gleich viermal. Das Lied ist aus meiner Sicht wohl ein Fall für die Skip-Taste bzw. für das Entfernen des „Synchronisieren“-Häkchens bei iTunes.

Das war der Negativpunkt. Nun zum absoluten Highlight: Schönster „Licht“-blick im wahrsten Sinne des Wortes war Andro II, eine Neuaufnahme des bretonischen Tanzes (= Andro), den Faun auf ihrem zweiten Album „Licht“ aufgenommen haben und dessen Erscheinen sich 2013 zum zehnten Mal jährt. Ich finde, es war eine sehr gute Entscheidung, das Andro noch einmal auf CD zu bannen, weil es sich durch zehnjähriges Spielen auf Konzerten wirklich stark verändert hat. Besonders der mystisch klingende Gesang von Sonja Drakulich, der klanglich etwas an „Gaia“ auf der CD „Totem“ erinnert, verleiht „Andro II“ ein ganz besonderes Flair. Es ist meiner Meinung nach eine wunderbare Symbiose der Stile von „Licht“ und „Eden“. Vielleicht führt der musikalische Weg der Faune eines Tages ja zu einer Symbiose dieser beiden Stile … Ich wäre begeistert!

Auch mit einer freien deutschen Nachdichtung des Minnelieds Von den Elben von Heinrich von Morungen, das in seiner mittelhochdeutschen Fassung auf dem zweiten Faun-Album „Eden“ zu hören war, feiern die Faune das Zehnjährige ihres zweiten Albums. Mir gefallen beide Fassungen sehr, die mittelhochdeutsche die neuhochdeutsche.

Zweites Highlight nach „Andro II“ ist für mich Schrei es in die Winde, musikalisch eine Coverversion des Eluveitie-Songs „Omnos“, textlich eine Eigenkreation über eine als Hexe aus der Dorfgemeinschaft verstoßene Frau. (In „Omnos“ geht es um ein Mädchen, das einem „Wolf“ begegnet, mit dem es – das ist zwischen den Textzeilen zu lesen – aus eigenem Willen schläft, der aber nicht mit ihm leben möchte. Dem Refrain „Vrit- me lindos, dubnon -piseti“ zufolge sieht sie, die Entehrte, daraufhin nur den Ausweg, sich zu ertränken.)
Die Schweizer Folk-Metal-Band Eluveitie, mit der Faun befreundet sind, höre ich sehr gern, und gerade „Omnos“ ist einer meiner Lieblingssongs. Deshalb habe ich mich über dieses deutsche Cover natürlich sehr gefreut. Allein schon, weil es mir bei dem deutschen Text deutlich einfacher fällt, mitzusingen, als bei rekonstruiertem helvetischem Gallisch. 😀 Aber auch der deutsche Text an sich gefällt mir sehr gut.

Schön finde ich auch das Klagelied Wilde Rose, das auf der gälischen Ballade „Siuil a run“ basiert und in dem eine Frau den Tod ihres Liebsten im Krieg besingt. Er hatte ihr im Frühling eine Rose übergeben, die im Winter welkt. Die Frau macht sich daraufhin Sorgen, weil er ihr gesagt hatte, die Rose werde blühen, solange er siegreich ist. Tatsächlich erhält sie bald darauf einen Brief, der ihr den Tod des Liebsten mitteilt. (Man muss hier vielleicht klarstellen, dass Faun alte Formen und Lieder aufgreifen, sich aber dezidiert nicht als „Mittelalter“-Band verstehen.) Ich habe eine Schwäche für Klagelieder … so schön traurig und melancholisch!

Einen Texttyp, den ich sehr mag, greift auch Thymian & Rosmarin auf: das Märchenmotiv vom jungen Mann, der vor unüberwindliche Aufgaben gestellt wird. Nur, wenn er sie überwindet, erhält er seine Liebste. Zu Recht weisen die Faune im Booklet darauf hin, dass das Motiv auch in „Scarborough Fair“ auftritt, das u.a. Leaves’ Eyes auf ihrem Album „Njord“ vertont haben. Hübsch!

Mit dem Wind, das erste Lied, ist für meinen Geschmack zu dudelsacklastig, aber der „Break“ bei „Einmal folg ich ihrem Flug…“ ist sehr gelungen.

Diese kalte Nacht ist ein klassisches Spielmannslied, schön lyrisch. Es gibt dazu auch ein Video.

Hübsch, aber gerade auch textlich leider etwas belanglos finde ich Wenn wir uns wiedersehen, Bring mich nach Haus, Welche Sprache spricht dein Herz und Warte auf mich.

Als Besonderheit erwähnenswert ist noch das Minne Duett, das die Faune gemeinsam mit Subway to Sally aufgenommen haben. (Subway selbst finde ich ganz in Ordnung – gut gemachte Musik, aber Mittelalter-Rock ist einfach nicht so sehr mein Geschmack wie „leiserer“ Mittelalter-Folk. Dafür höre ich „Eric Fish & Friends“ sehr gerne, das Soloprojekt von Erik-Uwe Hecht a.k.a. Eric Fish. Ganz besonders wegen des Cellos. – Apropos: Vor einer Woche wurde das neue Eric Fish-Album „Kaskade“ für den 28. März angekündigt. Ich freu’ mich!) „Minne Duett“ ist sozusagen die „Fortsetzung“ des Subway-Klassikers „Minne“, das z.B. auch auf dem Subway-Best of „Die Rose im Wasser“ zu hören ist, das ich besitze. Eine schöne Idee, das Lied auf diese Weise fortzusetzen.

Fazit: Ein insgesamt eher durchschnittliches Album mit einem Ausreißer nach unten („Tanz mit mir“) und zwei für mich persönlich ganz besonderen Stücken („Andro II“ und „Schrei es in die Winde“). Schlecht ist es definitiv nicht und spielt – da „handmade“ und mit Herzblut gespielt – natürlich in einer völlig anderen Liga als der „übliche“ Pop/ Schlager, aber ein würdiger Nachfolger für „Eden“ ist es leider auch nicht. Da heißt es abwarten, wohin die Faune ihre musikalische Reise als nächstes führen wird.

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